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Ein Stück Paraguay Itaipu (Dezember 2022) Uns wird Brasilien nach der Amtsübergabe von Bolsonaro an Lula zu unkalkulierbar, und deshalb verlassen wir das Land am 23. Dezember nach Paraguay. Ein Land, das wir 2008 auf der Rückkehr aus dem Pantanal schon einmal besucht haben, allerdings nur im Transit zurück nach Argentinien. Vielleicht wären wir schon damals länger geblieben, hätten uns nicht die Hitze und Trillionen von Mücken dermaßen zugesetzt. Mit einiger Skepsis wagen wir nun, 14 Jahre später, einen erneuten Anlauf, das Land etwas besser kennenzulernen. Wir sind gespannt. Paraguay ist nach südamerikanischen Maßstäben klein, hat nur etwa die Größe von Deutschland und Schweiz zusammengenommen, mit einer Einwohnerzahl von nur 8 Mio.. Der überwiegende Teil der Bevölkerung wohnt östlich des Río Paraguay (der gemeinsam mit dem Rio Parana die Grenze zu Argentinien und Brasilien bildet) und konzentriert sich um die Hauptstadt Asuncion sowie in den südlichen grenznahen Gebieten zu Brasilien. Die Amtssprachen sind Guarani und Spanisch. Im Norden und Westen des Landes, die von der Ebene des Gran Chaco eingenommen werden, leben nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung. In diesen Bereichen ist es im Sommer (also jetzt!) trocken und extrem heiß. Nachdem Reisefreunde, die auf dem Chaco-Highway unterwegs sind, uns dies noch einmal eindrücklich bestätigt haben, verzichten wir auf eine Weiterfahrt in diese Gebiete. Unsere nördlichsten Punkte werden die Naturparks Tati Yupi und Itabo am Itaipu-Stausee sein. Unser erstes Ziel nach den wider Erwarten freundlichen und korrekten Grenzformalitäten ist das Wasserkraftwerk „Itaipu Binacional“ („Itaipu“: Guarani für „Stein/Fels, der singt/klingt.“), ein Gemeinschaftsprojekt seitens Brasilien und Paraguay. Eigentlich wollen wir das Kraftwerk besichtigen und dann weiter zu den Naturreservaten am Ufer des Itaipu-Stausees fahren. Aber im Besucherzentrum erfahren wir, dass alle Reservate über die Feiertage schließen werden und erst am 26.12. wieder öffnen. Nun ist guter Rat teuer. Die Grenzstadt Ciudad Del Este ist nicht weit entfernt; sie ist wegen der heftigen Schmuggleraktivitäten ein heißes Pflaster, ganz bestimmt keine Empfehlung für wildes Campen. Aber die freundlichen Mitarbeiter des Besucherzentrums bemühen sich um eine Lösung. Nachdem von mehreren „öberen“ Stellen Genehmigungen eingeholt und alle Personal- und Fahrzeug- und sonstige Daten dokumentiert sind, dürfen wir bis zum 26.12. auf dem Parkplatz des Besucherzentrums bleiben. Zunächst jedoch werden wir eingeladen, an einer Kraftwerksbesichtigungstour teilzunehmen, die noch heute stattfindet. Leider können wir dieses Wunderwerk der Technik bis auf einen einzigen Fotostopp nur vom Bus aus bestaunen. Nach 10jähriger Bauzeit wurde es 1984 in Betrieb genommen und war bis zur Fertigstellung der „Drei-Schluchten“-Talsperre in China 2003 das leistungsstärkste Wasserkraftwerk der Welt. Der Damm ist 8 Kilometer lang und 196 Meter hoch. Das gewaltige Maschinenhaus mit 18 Turbinen liegt in der Staumauer und ist 968 Meter lang, 99 Meter breit und 112 Meter hoch. Von Anbeginn bis heute werden Kosten und Nutzen des Staudamms kontrovers diskutiert: Insgesamt mussten etwa 40.000 Menschen vor allem Guarani-Indianer umgesiedelt werden. Für die Errichtung des Damms wurde subtropischer Regenwald abgeholzt, große Areale an Regenwald im Überflutungsbereich des Stausees (der zweieinhalbmal so groß wie der Bodensee ist), wie auch die Wasserfälle Sete Quedas bei Guaíra, verschwanden dauerhaft unter Wasser. Gegenposition: Paraguay bezieht seit Jahrzehnten fast 100 % seines Strombedarfs aus diesem Kraftwerk, ohne im laufenden Betrieb auf fossile Energie zurückgreifen zu müssen. Ebenso große Elektrizitätsmengen gehen genauso umweltfreundlich nach Brasilien. Wenn es hier Wahrheiten gibt, dann scheinbar zwei! Die Weihnachtstage verbringen wir sicherheitstechnisch auf höchstem Niveau, denn das Wachpersonal des Besucherzentrums ist schwer bewaffnet und mit schusssicheren Westen ausgerüstet. Am Heiligabend öffnen wir die letzte Tür unseres von Helga mitgegebenen Reise-Weihnachtskalenders und genießen ein leckeres Käsefondue aus Uruguay (importiert aus der Schweiz).
Naturreservate Tati Yupi und Itabo (Dezember 2022/Januar 2023) Das westliche Ufer des Itaipu-Stausees steht unter Naturschutz des „Reserva de Biosfera ITAIPU“, zu dem acht Naturparks gehören. Um diese Parks besuchen zu dürfen, ist zwingend eine Genehmigung des CRV (Centro de Recepcion de Visitas) erforderlich, das sich auf dem Gelände des Museo Historico befindet. Und um die zu bekommen, bedarf es eines Behörden- Marathons: Nach vier Anlaufstellen stehen wir schließlich vor dem Chef-Manager, der die Genehmigungen ausstellen darf. Das dauert natürlich, aber alle sind freundlich und hilfsbereit. Aus den insgesamt acht Parks suchen wir uns „Tati Yupi“ und „Itabo“ aus, wobei uns der erste sehr viel besser gefällt. Trotz der Hitze erkunden wir beide Parks soweit wie möglich zu Fuß. Echsen und Affen besuchen uns. Eine Herde von ca. 40 Koatis vertreibt Rolf durch beherztes Eingreifen bei ihrem Versuch, unsere Wohnkabine zu stürmen. Was uns bis zum Ende des Aufenthaltes im Park unerklärlich bleibt: Rolf darf bei 37 C unter Androhung einer Meldung an den höchsten Vorgesetzten nicht mit entblößtem Oberkörper herumlaufen. Denn, so die Auskunft des Wachpersonals, dies sei ein Parque Natural!! Wir versuchen, leider ohne Erfolg, den Aufpassern zu vermitteln, dass in unserem Nachbardorf Hanstedt in Niedersachsen seit letztem Sommer weibliche Besucher des dortigen Schwimmbades ihre sekundären Geschlechtsmerkmale unbedeckt lassen, d. h „oben ohne“ herumlaufen und schwimmen dürfen. Das sei Fortschritt!! Wie gesagt, wir bleiben unverstanden. Andere Länder, andere Sitten. Der Park ist auf Besucher eingestellt, sodass es ordentliche Sanitäranlagen gibt, am Stellplatz sogar eine eigene „Küchenzeile“ mit Grill, Wasser- und Stromanschluss. Unser Stromkabel wird (zum Glück erst am letzten Tag) von dem Fahrer einer Mähmaschine um sein Mähmesser gewickelt. Hat er nicht gesehen. Im nächsten größeren Ort bekommen wir Ersatz für Kabel und Stecker: Hier hat das Böse wieder sein Gutes! Durch den heftigen Schmuggel von u. a. auch Elektrogeräten aus deutscher Fertigung nach Paraguay, ist es überhaupt kein Problem, Schukostecker zu bekommen! Die (Strom-)Welt ist nach etwas Bastelei wieder in Ordnung.
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Wir verlassen Paraguay und reisen in Posadas nach Argentinien ein. Drei Stunden benötigen wir für beide Grenzabwicklungen. Alle Beamten sind freundlich und hilfsbereit. Und nun sind wir seit dem 15. Januar zurück in Argentinien, werden uns bekannte und unbekannte Orte besuchen. Doch darüber erfahrt Ihr alles im nächsten Bericht . Bis dahin wünschen wir Euch, neben einem energiefreundlichen Winter, alles Gute, Bettina & Rolf (Salicas/Argentinien, im Februar 2023)
Foz Do Iguacu/Brasilien 2022 San Rafael/Paraguay
---ENCARNACION--- PARAGUAY
-----HOHENAU----- PARAGUAY
-CIUDAD DEL ESTE- PARAGUAY
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Hohenau und Umgebung (Januar 2023) Ein langer Fahrtag in Richtung Süden bringt uns nach Bella Vista. Die Stadt gehört zusammen mit Hohenau und Obligado zu den „Colonias Unidades“ (Vereinte Kolonien), die zwischen 1900 und 1918 u. a. von deutschen Einwanderern gegründet wurden. So ist es keine Überraschung, dass wir immer wieder auf deutsche Namen stoßen oder auf Deutsch angesprochen werden. Auch auf dem Friedhof ist der enorme Deutschen-Anteil der hiesigen Bevölkerung auf den Grabsteinen sichtbar. In Obligado werden Besucher am Stadttor mit der Inschrift „Fühl Dich wie zu Hause“ begrüßt. Ein passender Spruch für Auswanderer! Wir bleiben einige Tage in Bella Vista, zunächst auf einem Platz beim Hotel „Encanto Rural“. Um dorthin zu gelangen, entfernt das Personal kurzerhand mit einer Machete zu tief hängende Äste. Im Preis inbegriffen sind Frühstück (auf das wir allerdings nach einmaliger Erfahrung verzichten), eine eigene überdachte Terrasse, Sanitäranlagen und Swimmingpool-Nutzung. Bettina kann wieder zum Frühschwimmen gehen! Und es gibt eine Wäscherei, in der unsere Kleidung nach Südamerika-Maßstäben vorzüglich gereinigt wird. Welch ein Luxus!! Nun gilt es noch, etwas gegen Rolfs seit Wochen entzündeten großen Zeh zu unternehmen. In der „Clinica Integral“ greift der Arzt zum Entfernen eines Teils eines Zehnagels beherzt zu einer sooo stumpfen Schere, dass Rolf ihm seinen Seitenschneider aus unserem Werkzeug anbietet. Nein, er hat seinen Ärztestolz, da muss Rolf durch. Weiterhin verschreibt er Schmerzmittel und Antibiotika. Es hat etwas geholfen, eine weitere Behandlung muss zuhause erfolgen. Bei einem Spaziergang fällt Rolf ein kleines Wohnmobil mit einem Logo auf, das ihm bekannt vorkommt: Von Burkhard hat er vor 38 Jahren einen Landcruiser gekauft, und 2019 haben wir ihn und seine Frau Bärbel in Uruguay wiedergetroffen. Der Kontakt wird hergestellt und ein Treffen vereinbart. Auch die beiden zieht es regelmäßig nach Paraguay (und Brasilien), und deshalb gibt es so viel zu erzählen, dass wir weitere Tage auf einem prima Platz direkt am Rio Parana (mit Sandstrand) bleiben. Bei der Hitze immer mal wieder in den Fluss springen zu können, ist eine Wonne. Von Bärbel und Burkhard erfahren wir auch, dass es in Bella Vista bei „Don Otto“ Hochqualitäts-Käse, -Leberwurst und -Fleisch zu kaufen gibt und bei „Dona Lydia“ ebensolches Vollkornbrot und Berliner mit leckerer Füllung. Wir verproviantieren uns heftig bis an die Kapazitätsgrenze unseres Kühlschranks. Ihr werdet es bereits bemerkt haben: Diese Reise bietet uns weniger Natur als vielmehr Begegnungen mit Menschen. Das war so nicht geplant, ist aber für uns eine hochinteressante Abwechselung. Nur ca. 20 km südlich von Hohenau besuchen wir zwei der 30 von den Jesuiten in Paraguay errichteten Missionen zur spirituellen Rettung der Guarani-Indianer und zu deren Schutz gegen ökonomische Ausbeutung durch spanische Kolonialisten. Santisima Trinidad del Parana und Jesus de Tavarangüe wurden 1993 UNESCO-Weltkulturerbe. Trinidad, 1706 gegründet, ist das am besten erhaltene Missionsdorf. Während der Licht- und Ton-Schau (Luz y Sonido) am Abend werden die Ruinen eindrucksvoll beleuchtet, dazu passende kirchliche Musik gespielt wir sind beeindruckt! Während in Trinidad noch sehr schöne Ornamente an den Mauern zu finden sind, fehlen diese in Jesus vollständig. Aber die Struktur der Missionsdörfer ist auch hier deutlich zu erkennen. 100 km westlich von Encarnacion besuchen wir ein letztes, 1632 gegründetes Missionsdorf mitten im kleinen Ort San Cosme Y San Damian. Hier gab es die einzige Jesuitenschule für Kinder in allen Missionen der Parana-Provinzen (heute Brasilien, Argentinien und Paraguay). Die unvollendete Kirche wird noch heute genutzt. Das im 18. Jahrhundert von den Jesuiten errichtete Observatorium war einstmals das bedeutendste astronomische Zentrum Südamerikas. Ab Hohenau starten wir auch zu einem Abstecher zum 70 km weiter nordwestlich liegenden privaten Schutzgebiet „San Rafael“. Hier wird heute der letzte Rest Atlantischen Regenwaldes Paraguays (ca. 7 % der ursprünglichen Fläche) von 40 Landeigentümern geschützt (nachdem sie Teile davon gerodet haben; der Mensch kann dazulernen.). Im Untergrund liegt das größte Wasserreservoir Südamerikas und das zweitgrößte der Welt, das die Bevölkerung mehrerer Länder (es erstreckt sich bis Argentinien, Brasilien und Uruguay) mit Trinkwasser versorgt. Am Rande des Reservats haben die Schweizer Christina und Hans vor 45 Jahren 250 Hektar Land gekauft. Sie waren auf der Suche nach einem Leben als Selbstversorger und sind in Paraguay gelandet. Unter schwierigsten Bedingungen haben sie sich eine Existenz mit inzwischen vier Standbeinen aufgebaut: Bio-Soja, Bio-Mais, Bio-Mate-Tee und hochwertige Rinderzucht. Der gemeinnützige Verein „Pro Cosara“, dessen Leiterin Christina 25 Jahre lang war, versucht, den 73.000 Hektar großen Restregenwald und die Tierwelt zu schützen. Das ist schwierig, da es in dem großen Gebiet immer wieder zu illegalen Rodungen und Drogenanbau kommt, und die Besitzer keine Polizeigewalt haben. Seit 1992 versuchen die Eigentümer, den Regenwald von San Rafael zum Nationalpark zu erklären. Doch bis heute blieb das Vorhaben ohne Rechtskraft – der paraguayische Staat ist nicht interessiert. In hochinteressanten Gesprächen erfahren wir von Christina und Hans sehr viel über ihr Pionierleben, die Anfänge und heute, nach einer bewundernswerten Aufbauarbeit, die auf Dauer wohl vergeblichen Bemühungen, nicht-genmanipulierten Mais zu ernten: Die Vermischung mit genmanipuliertem Mais kann laut Hans auf Dauer nicht verhindert werden. Eine wirtschaftliche Bedrohung sei die Überproduktion von Soja durch zusätzliche Ernten von (genmanipulierter) trockenheitsresistenter Soja in den trocken-heißen nördlichen Gebieten von Paraguay, bislang für die Landwirtschaft nahezu ungeeignet. Auf unseren Reisen stellen wir immer wieder fest, wie fernab jeglicher Vor-Ort-Realitäten die Vorstellungen unserer Politiker über den Natur- und Umweltschutz sind. Der verzückte Blick eines Bundespräsidenten und einer Umweltministerin von einem Turm auf einige Amazonas-Bäume mit anschließendem großzügigen Griff zum Steuer- Portemonnaie gehört dazu. Drei Tage bleiben wir bei Christina und Hans, lassen uns von ihren Erzählungen faszinieren und bestaunen dabei abends beim Bier die fußballgroßen Kröten, die über die Terrasse hoppeln. Als wir uns verabschieden, inspiziert der Haus-Tukan seine Baumhöhle mit seinem Nachwuchs. Auch für solche Augenblicke reisen wir. Fazit: Wider Erwarten hat uns der südliche Teil von Paraguay sehr gut gefallen. Gefüttert mit Wissen aus lange vergessenen Quellen haben wir ein Wildwest-Land erwartet, in dem man höllisch auf der Hut sein muss, um nicht unter die Räuber zu fallen. Das mag auch so sein, wenn man in einschlägigen Branchen (Schmuggel, Drogenhandel) unterwegs ist. Und in der Dunkelheit sollte man bestimmte Teile von Ciudad Del Este ganz bestimmt noch mehr meiden als solche in anderen Großstädten. Als gewöhnliche, normal-umsichtige Touristen haben wir jedoch ausschließlich freundliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt und viel über Land und Leute erfahren. Die Hitze hat uns zugesetzt, und sie ist es auch, die uns nach Süden treibt.
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