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Nach Hause, nach Hause, ….. Von den Anden in die Harburger Berge (März/April 2023) Am 2. März reisen wir wieder nach Argentinien ein: Hart, aber wahr - wir befinden uns auf der Rückreise nach Montevideo, um von dort in etwa fünf Wochen die endgültige Heimreise anzutreten. Auch unser rollendes Heim wollen wir zurück nach Europa bringen. Nun heißt es, teils längere, darunter auch langweilige Fahrtabschnitte zu überwinden; aber auch Neues und Interessantes liegen links und rechts am Weg. Unsere erste Station in Argentinien ist hinter dem Paso Los Libertadores der uns bereits von der vorjährigen Reise bekannte hübsche Ort Uspallata, wo wir auf dem Camping Municipal Hans aus Köln treffen. Ihn und seine Frau haben wir 2012 auf der Insel Olchon im Baikal-See/Russland kennengelernt. Sagen wir doch immer: Die Reisewelt ist klein! Auch in der mittleren Höhenlage von Uspallata (2039 m) stellen wir schnell fest, dass die Temperaturen in Argentinien trotz des sich ankündigenden Herbsts immer noch nicht auf ein (mitteleuropäisches) Wohlfühlniveau gesunken sind. Wir können es uns leisten, noch eine Zeitlang in den kühleren Anden zu bleiben, und deshalb fahren wir zum 90 km nördlich von Uspallata liegenden, uns unbekannten Parque Nacional El Leoncito auf 2300 m Höhe. Hier gefällt es uns bei sehr angenehmen Temperaturen so gut, dass wir drei Tage bleiben und den Park auf diversen Wanderungen erkunden. Von einem Mirador (Aussichtspunkt) blicken wir auf die Hauptgebirgskette der Anden mit ihren erschreckend gering verschneiten und vereisten Gipfeln, darunter der 6770 m hohe Cerro Mercedario. Der 2002 gegründete 89 ha große Nationalpark war ab Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine riesige Estancia. Aus dieser Zeit stammen einige (wenige) Adobe- Ruinen, herrlich schattenspendende Pappelalleen, wunderschöne Weidenhaine und die letzten Bäume uralter Apfelplantagen. Ein begehrter Cidre von hoher Qualität stammte von hier. Der Besuch eines von zwei innerhalb des Nationalparks errichteten Observatorien ist für uns unergiebig, da wir von den spanischen Erläuterungen kaum ein Wort verstehen. Als Forschungseinrichtungen haben sie mit ihren vergleichsweise kleinen Spiegeln keine Zukunft. Durch das weite Valle (Tal) de Callingasta, entlang des Rio los Patos, dann durch die enge Schlucht zwischen der Sierra del Tigre und der Sierra de Tontal erreichen wir das Ufer des Rio San Juan. An ihm finden wir einen sehr schönen Nachtplatz. Allerdings - wir haben Höhe verloren, und die hohen Temperaturen haben uns wieder im Griff: Auf 1200 m sind es am Nachmittag noch 34 Celsius - nicht nur wir, ganz Südamerika leidet unter der seit Monaten anhaltenden Hitzewelle. Hinter der kurvenreichen und engen Schlucht des Rio Talacasto mit beeindruckenden Felsformationen stoßen wir wieder auf die legendäre Ruta 40, auf der ein allerletztes Mal unsere Räder rollen.
San Juan umfahren wir weiträumig, und östlich der Provinzhauptstadt suchen wir uns in dem kleinen Ort Vallecito neben dem Hauptschrein der Volksheiligen „Difunta Correa (Verstorbene Correa)“ einen Nachtplatz. Der Legende nach machte sich um 1840 eine Frau namens María Antonia Deolinda y Correa kurz nach der Entbindung ihres Kindes auf den Weg, um ihren im argentinischen Unabhängigkeitskrieg verschleppten Mann zu suchen. Sie musste ein Wüstengebiet durchqueren und verdurstete. Wie durch ein Wunder überlebte das an ihrer Brust liegende Baby dank der Muttermilch. Correa verkörpert bis heute ein (erstrebenswertes) argentinisches Frauenbild: eine treue Frau, die ihrem Mann bis in den Tod folgt, gleichzeitig eine sich opfernde Mutter. Correas Leichnam wurde von Maultiertreibern gefunden und beigesetzt, und viele Jahre später entstand neben ihrem Grab der Wallfahrtsort Vallecito. Denn sie wurde im Volksglauben zur (von der Kirche nicht anerkannten) Schutzheiligen aller Reisenden. Insbesondere LKW-Fahrer hinterlassen im ganzen Land gefüllte Wasserflaschen an kleinen Straßenschreinen und beten für eine sichere Weiterfahrt. Für uns also ein Muss, diesen Ort zu besuchen! Was einst mit einer kleinen Kapelle über den Gebeinen begann, wuchs im Laufe der Jahrzehnte zu einer Hügellandschaft mit unzähligen kleinen Miniaturkapellen, Votivgaben und Danksagungsplaketten. An hohen Feiertagen wie Ostern kommen Hunderttausende Gläubige und hinterlassen unzählige mit Wasser gefüllte Plastikflaschen. Daraus entwickelte sich in den letzten Jahren neben der Unterbringung und Beköstigung solcher Menschenmassen ein weiteres interessantes Geschäftsmodell: Die vielen Wasserflaschen werden eingesammelt, das Plastik recycelt und mit dem Wasser die Gärten der Umgebung bewässert. Bei unserem Besuch sehen wir allerdings kaum eine Wasserflasche; es muss gerade eine Sammelaktion stattgefunden haben. LKWs können auf einer Straßenschleife ohne rangieren zu müssen am Schrein vorbeifahren, und die Fahrer der Correa die Ehre erweisen. Die wird sie anschließend schützen, egal, welche gefährlichen Überholmanöver sie fahren. Für sonstige Gläubige wurde ein riesiges Areal mit gut besuchten Grillplätzen bestückt. Unser Vorschlag für die heimischen Kirchengemeinden, um den zunehmenden Kirchenaustritten entgegenzuwirken: Richtet vor jedem Gotteshaus einen Grillplatz ein! Nach dieser interessanten Fahrtunterbrechung folgen wir der Ruta 28, obwohl wir deren miserablen Zustand (sie stammt aus den 1930ern und wird in dem 80 km langen Abschnitt zwischen der RN77 und Chancani nicht mehr gepflegt) in schlechter Erinnerung haben. Aber sie führt durch eine faszinierende Halbwüsten-Landschaft, die wir noch einmal erleben wollen. Auch locken uns die uns unbekannten nördlichen Sierras de Cordoba. Hinter Chancani klettert die Piste die Sierra hinauf, von der man einen gigantisch-weiten Blick in die sich nach Westen verlierenden Ebenen hat. Ab hier bis Taninga fahren wir auf Asphalt. Hinter Taninga wird die Ruta 28 wieder zur Piste, die den schlechten Zustand der ersten 80 km noch unterbietet. Doch wir werden mit einer völlig anderen, beeindruckenden Landschaft belohnt: Auf einer Höhe von 1900 m durchfahren wir eine mit hohen pittoresken Pampasgrasbüscheln bewachsene, extrem zerklüftete Felslandschaft, deren höchste Erhebung mit 2.374 m der Cerro Los Gigantes ist. Ein kleiner Platz am Rande der Piste mit herrlichem Ausblick auf eine verknotete Felslandschaft wird unser heutiger Nachtplatz. Die Strecke ist eine beliebte Ausflugsroute. Immer wieder halten Motorrad- und Pickup-Fahrer an, um mit uns zu schwätzen. Während der Nacht herrscht absolute Stille, und ein fantastischer Sternenhimmel leuchtet über uns. Am nächsten Morgen beginnt der Abstieg aus dem Gebirge, doch plötzlich geht nichts mehr: Über viele Kilometer kommen uns auf der schmalen Piste viele Wanderer und Hunderte von Reitern entgegen, die alle die Berge hinauf wollen. Chaos pur! Welche Bedeutung diese Prozession hat, haben wir nicht in Erfahrung bringen können. Gut, dass wir es nicht eilig haben!
Für weitere Fotos bitte klicken Valle del Elqui/Chile 2023 Vallecito (Difunta Correa-Schrein)/Argentinien
--MONTEVIDEO-- Uruguay
-----SANTA FE----- Argentinien
---CÓRDOBA--- Argentinien
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In den nächsten Tagen müssen wir lange und langweilige Landstriche mit Ackerbau und Viehzucht überwinden. Über Aroyito und Parana treffen wir in Gualeguay ein. Beim Balneario (Schwimmbad) kann man campen, und der Fluss war vor fast genau einem Jahr nach heftigen Regenfällen weit über die Ufer getreten. Das Flussbett ließ sich seinerzeit nur erahnen, und die Sanitärräume konnten nur per Boot oder Schwimmen erreicht werden. Doch diesmal erstreckt sich am Ufer ein schöner breiter Sandstrand, dahinter schöne Standplätze unter hohen Bäumen, in denen die Sittiche zwitschern na ja, höllenlaut kreischen. Bei 38 C springen wir umgehend und in den nächsten zwei Tagen immer mal wieder in das körperwarme Flusswasser. Hinter Gualeguaychu überqueren wir auf einer mächtigen Brücke den Rio Uruguay, in dessen Mitte die Grenze zwischen Argentinien und Uruguay verläuft. Es gibt eine gemeinsame und problemlose Grenzabfertigung beider Länder auf der Uruguay-Seite, und schon 20 Minuten später rollen wir wieder. Nur 8 km südlich von Fray Bentos verbringen wir in Las Canas drei geruhsame Tage auf einem hübschen Platz direkt am Rio Uruguay. Unsere Entscheidung, unseren Wagen nicht noch einmal in Südamerika zurückzulassen, ihn stattdessen nach Hause zu verfrachten, wirft immer deutlichere Schatten: Vom Grimaldi-Agenten KMA in Montevideo erhalten wir Mails mit vielen auszufüllenden Formularen und Beschreibungen des Ablaufs im Hafen. Im Vergleich zu früheren Verschiffungen (dies ist unsere 10. RoRo-Verschiffung!) ist alles recht kompliziert und aufwändig geworden. Wir sind froh, Scanner und Drucker dabei zu haben, um alle notwendigen Dokumente ausdrucken, ausfüllen, unterschreiben, einscannen und per Mail an KMA zurücksenden zu können. Aber es bleibt auch Zeit zur Entspannung, zum Baden im Fluss und für Spaziergänge. Auch in Villa Soriano war der Rio Negro bei unserem Besuch vor einem Jahr über die Ufer getreten und die vorgelagerte kleine Insel samt Brücke dorthin überflutet. In der Nacht gibt es ein lange anhaltendes heftiges Gewitter mit Sintflut-Regen. Am Morgen hat es sich so sehr abgekühlt, dass wir seit vielen Monaten das erste Mal wieder lange Hosen und Jacken hervorholen müssen. Über Nueva Palmira erreichen wir Colonia del Sacramento. Während unseres ersten Besuches im März 2020 war die Stadt in Folge der heraufziehenden Corona-Pandemie vollkommen verwaist. Nun herrscht bei bestem Wetter reger Betrieb. Wir genießen nicht nur einen halben Liter leckeres Eis, sondern auch den Bummel durch die alten Gassen mit hübschen Häuschen und Ruinen einer Küstenfestung. In Nueva Helvecia verabschieden wir uns vom Namensvetter Rolf, Besitzer des Granja Hotel Suizo. Auch nutzen wir die letzte Gelegenheit in Südamerika, uns für die restlichen Tage mit leckerem Käse à la Schweiz einzudecken. Den letzten Campingplatz dieser Reise erreichen wir 60 km östlich von Montevideo bei Atlantida, geführt von den Niederländern Marieke und Jan. Die Tage sind mit Vorbereitungsarbeiten für die Fahrzeugverschiffung ausgefüllt, aber auch für Entspannung und Gespräche mit den Eigentümern und anderen Reisenden findet sich noch Zeit. Marieke und Jan schaffen eine ansprechende familiäre Atmosphäre und sind freundlich und hilfsbereit. Neben Pferden, Katzen, Hunden und Hühnern (die uns täglich mit frischen Eiern versorgen) gibt es auch das Hausschwein „Schnitzel“. Schnitzel ist groß und mit 350 kg ausgesprochen mächtig. Wir fragen Jan, ob es sich um einen Vertreter einer besonders großen Schweinerasse handelt, und er lacht uns aus: „Ist ein ganz normales Hausschwein. Nur in Deutschland (und im übrigen Europa) wird kein Schwein mehr alt und damit groß!!“ Am 3. April verabschieden wir uns von Marieke und Jan und fahren nach Montevideo, zuerst zum Agenten, anschließend in den Hafen, wo wir den Wagen der Reederei übergeben. Das klappt alles sehr gut. Und nun können wir nur hoffen, dass unser rollendes Heim sicher und ohne Beschädigungen in der Heimat ankommen wird. Nach den Berichten vieler anderer Reisenden, die ihre Fahrzeuge kürzlich verschifft haben, stehen die Chancen dafür nicht wirklich gut: Fahrzeugaufbrüche, im Nord-Süd- wie auch Süd-Nord-Verkehr, haben ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Am folgenden Tag treten wir von Montevideo über Sao Paulo und Amsterdam unsere Rückreise nach Hamburg an, wo wir am 5. April abends sicher landen. An die energieverbrauchsunfreundlichen Temperaturen müssen wir uns in den nächsten Tagen schleunigst gewöhnen!
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Fazit: Mit dieser letzten Südamerikareise haben wir endgültig von einem faszinierenden (Halb-)Kontinent Abschied genommen von den überwiegend freundlichen und hilfsbereiten Menschen und von den äußerst beeindruckenden Landschaften der vielen Länder, die wir im Laufe der Jahre bereist haben. In Summe haben wir uns auf sechs Reisen drei volle Jahre „dort unten“ herumgetrieben es wird Zeit, sich Neuem zuzuwenden, denn, ja, irgendwann verblasst der Reiz des Unbekannten. Außerdem mussten auch wir erfahren, dass in der (eigenen) Regel: „Fahr kein zweites Mal dorthin, wo Du schon einmal warst.“ viel Wahrheit steckt. Nun gilt es, in einer aus der Reisendenperspektive schrumpfenden Welt neue Reisepläne zu machen. Wir werden Euch auf dem Laufenden halten. Bis dahin wünschen wir Euch einen wunderschönen Sommer! Viele Grüße, Bettina & Rolf (Seevetal/Deutschland, im April 2023)